Haus Besler | Kempten

Wie auf dem Bauernhof

Am Weg hinunter nach Kempten liegt rechterhand, mit gebührendem Abstand zur Straße, ein Haus, das unverkennbar Teil dieser Kulturlandschaft ist: lang gestreckter Baukörper, flachgeneigtes Dach, Fassade aus weißem Putz und naturbelassenem Holz, lagernd wie die Landschaft; ein Allgäu-Haus. Ist es ein Bauernhaus? Ist es alt, ist es neu? Klüger wird, wer den Fuß vom Gas nimmt, genau hinschaut, mit den Bauherrn spricht.
Stefan Besler, der Bauherr, erinnert sich: »Der Weg zum jetzigen Haus war ja nicht ganz einfach. Als wir aber fertig waren, sind manche aus der Umgebung hergefahren und meinten: Schön ist’s geworden – und es ist gar keine Zahnarztvilla.« Befürchtungen, die angesichts so mancher Neuschöpfungen in näherer Umgebung auf der Hand lagen. 2013 erwarb die Familie, beide Eltern Zahnärzte, drei Töchter, hier einen alten Bauernhof – erstmals 1593 erwähnt, als die Vereinödung einsetzte, 1917 aufgesteilt und ausgebaut. Nach anfänglicher Begeisterung für das alte Haus mit ersten Umbauplänen Ernüchterung: die Substanz gab das nicht mehr her. Schweren Herzens dann der Entschluss: Abriss und Neubau.

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Allgäu Haus am Weg
Doch das alte Haus ist gegenwärtig. Der Standort ist derselbe; wie zuvor ist es ein lang gestrecktes Einfirsthaus; die Silhouette mit dem neuen, flachgeneigten Dach entspricht dem Haus vor 1917. So wird im Rahmen des großen Vorgänger-baus ein Mangel des alten Hauses behoben: Alle Räume erreichen großzügige Raumhöhen von 2,80 m und mehr. Räumliche und konstruktive Freiheit kann sich entfalten: Das Erdgeschoss ist ein weitgehend offener Lebensraum – nur die Ga-rage verschwindet teilweise im Gelände. Und auf die neuzeitlichen Verhältnissen antwortet der Bau, indem das Haus zur stark befahrenen Straße abschließt, sich dagegen zur Landschaft und Mittagssonne großzügig öffnet. Mit seinen massiven Wänden erlaubt es sich Anspielungen an alpines Bauen, mit der Holzkonstruktion an Oberbayern.

Einfühlung und Sorgfalt
Sorgfalt: Es ist nicht zu übersehen, dass das Haus von handwerklicher Haltung lebt. Die Mauern sind, wo immer möglich, klassisch gemauert; der Putz betont die Verarbeitung durch Mauerhand; das Riegelwerk und das Rafendach sind zimmerermäßig aufgeführt; die Böden und die Treppe verraten bis ins Detail der Wandanschlüsse handwerkliches Können; sorgfältig ausgewählte Wandschirme aus Holz mit integrieren Schiebetüren im Erdgeschoss verraten den geübten Schreiner; solide Holzfenster bis hin zu den großen Hebe-Schie-betüren sind selbstverständlich; selbst die Fensterbleche sind vom Spengler. Mit Handwerkern zusammenzuarbeiten, die er kennt, wo Vertrauen zählt, wo die Arbeit Hand in Hand geht, ist für den Architekten oberstes Gebot – und zahlt sich für den Bauherr aus. »Es war schön zu sehen, wie das hier gewachsen ist – nie ist etwas schief gelaufen«, erinnert sich Stefan Besler.

Gutes Handwerk bedeutet Materialkultur, wobei der Architekt die Linie vorgibt. »Die richtig Wahl ist wichtig und: Reduktion. Am liebsten nur drei Materialien: Putz, Holz – Lärche, Stein – Beton und Feinsteinzeug. Zuviel verdirbt. Vom Ganzen bis zum Detail gilt es zu entscheiden. Wir zeichnen viel, auch Details, manchmal braucht es genaue Bemusterung … Das Plastische ist mir eine große Freude, ich mag die Masse spüren, die kräftige, expressive Welt erleben, körperhaft, auch im Kontrast. Wie muss ein hölzerner Aufbau über einem massiven Sockelgeschoss sein, damit er nicht wegfliegt – da kommt‘s aufs Detail an«, führt Facchini aus – und hält sich zurück, denn alles Behaupten ist ihm zuwider.

Lebensqualität, die gar nicht so leicht zu fassen ist
»Wir haben’s am meisten durch die Kinder gemerkt. Die waren viel entspannter, zugänglicher, mit all dem Freiraum, den eigenen Ecken, dem Platz, wo sie Toben und Lärmen konnten. Das Robuste und doch Feine, das Haus und die Natur, der starke, schützende Übergang. Das Leben von der Terrasse weg, das Ungezwungene von Wetter, Pflanze und Tier.« So die Bauherrin Cecilia Besler. »Lebensqualität auf dem Land, wie auf dem Bauernhof.«

Architekten
Alfred Facchini, Hindelang
Neubau
Wohnhaus
Wohn- und Nutzfläche
260 qm
Bauliche Merkmale
Ziegelbau, Betondecke, Holzdach, Holzfenster, Innenausbau Lärche, Geothermie, PV, Fußbodenheizung

Auszugsweise Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Kreisbotenverlages.
Text: Florian Aicher
Fotos: Nicolas Felder