Haus UMS | Kempten

Baumeisterlich

Als im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts die Industrialisierung das Allgäu erreichte, als sich die Grünlandwirtschaft auf dem Land durchsetzte, veränderten sich Städtebau und Bauweise. In Kempten kam zur Textilindustrie die Lebensmittelindustrie mit neuer Vermarktung sowie Fremdenverkehr und Dienstleistung. Die Grenzen der alten Stadt wurden zu eng, für ein neues Bürgertum entstanden neue Stadtviertel. Wie auf dem Land wollte man großzügig, im Grünen, an frischer Luft und doch in Stadtnähe wohnen. Auch der Wandel der alltäglichen Bauweise war tiefgreifend. War das Allgäu einst vorwiegend vom Holzbau geprägt, so trat der Ziegelbau seinen Siegeszug an.

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Qualität eines Wohnviertels
Das Haus UMS auf der Anhöhe »Haubenschloss« zeigt diese Entwicklung. 1930 war es das erste Haus in der Straße, dann wurden es mehr. Die Stadt breitete sich nach Westen aus, erst Blöcke mit großen Innenhöfen, dann freistehende Wohnhäuser. Von damals bleibt der Eindruck: stadtnahes Wohnen im Grünen. Die meist zweigeschossigen Häuser sind etwas von der Straße zurückgesetzt, große Laubbäume zwischen den Bauten bestimmen den Gesamteindruck.

Lob des Bauhandwerks
Das Haus entstand nach Plänen des zu unrecht vergessenen Architekten Theodor Härtner: ein Würfel von 10x10x8 Meter mit spitzen Giebeln und kräftigen Zwerchgiebeln auf 500 Quadratmeter Grund. Symmetrisch die Ansichten, zeittypisch die Fenster mit Läden an den Gebäudeecken, in der Mittelachse kleine Rundbogenfenster. Das spitze Sparrendach mit Aufschieblingen sitzt mit wenig Überstand auf dem Kubus. Alte Fotos zeigen: Am Aussehen hat sich wenig geändert. Lediglich der Zugangserker – das einzig asymmetrische Bauteil – hat statt Balkon mit gemauerter Brüstung einen geschlossenen Raum.

Der Bau ist in Vollziegeln gemauert, die Außenwände im Kreuz-, die tragenden Innenwände im Blockverband. Das ergibt mit 3- bzw 2-Lagenputz Wandstärken von 49 Zentimeter bzw. 30 Zentimeter. Die Decken sind Holzbalkendecken, darüber das Kaltdach. Ein einfaches, grundsolides Haus. Ein neutraler Grundriss, mit dem viel anzufangen ist. Eine robuste Ausstattung, die gut gepflegt haltbar, einfach und nobel ist. Diese Qualität verdankt sich bewährtem Bauhandwerk; geradlinig, selbstverständlich, ohne technische Finesse – und deshalb dauerhaft. Das ist baumeisterliche Qualität. Grundlegend ist der Ziegel und sein Maß; daran hatte man sich zu halten – noch war die Flex nicht erfunden.

Umbauen mit Spaß
Ein solches Haus auf heutigen Stand zu bringen, ist kein Wunderwerk – in Peter Geigers Worten: »Es hat sehr viel Spaß gemacht.« Der gelernte Zimmerer, Architekt und Bauherr hat mit viel Eigenarbeit einen guten Teil des Jahres 2010 damit verbracht. »Spannend waren das Aufspüren und Entdecken der handwerklich gestalteten Details unter Schichten von Linoleum, Teppichen, Tapeten, Blechverkleidungen. Diese vorgefundenen Qualitäten nun wie selbstverständlich, teilweise an neuer Stelle zu integrieren und mit neuen Elementen zu ergänzen, um den Charme und die Atmosphäre des wertvollen Bestands spürbar zu lassen, war die große Herausforderung.«

Das Haus wird auf seinen Kern zurückgeführt und instandgesetzt. Die Gestalt des Hauses bleibt, neue Läden aus Lochblech präzisieren sie; Erdgeschossfenster werden nach unten gezogen. Sonstige Neuerungen lassen sich an zwei Händen abzählen: Ausbau des Dachs und Umwandlung des Balkons in einen Baderaum, Fenstererneuerung (Eiche geölt, dreifachverglast), Eichenparkett in den Wohnräumen, neue Installationen sowie Einrichtung der Bäder und Küche, neue Heizung sowie eine neue Terrasse im Garten.

Zur Freude der Bauherrn
Nicht recht vorstellen konnte sich die Bauherrin, wohin die Reise geht. Heute sagt sie: »Der Charme aus alten Zeiten ist geblieben. Die Innenräume entsprechen komplett den Bedürfnissen unseres heutigen Alltags: sei es die offene Küche, in der wir es lieben, mit Freunden gemeinsam zu kochen; seien es die neuen, tief gezogenen Fenster, die den Garten ins Innere holen; sei es die großzügig angelegte Terrasse, wo die Kinder nach Lust und Laune toben und wir wunderschöne Grillabende verbringen; sei es das ausgebaute Dach, in dem wir arbeiten, Feste feiern oder entspannen. Kurzum – wir fühlen uns hier pudelwohl.«
Dass all das aber auch noch zu zwei Architekturpreisen (Thomas-Wechs-Preis 2012, Baupreis Allgäu 2013) geführt hat, konnte nun wirklich niemand ahnen.

Architekten
heilergeigerarchitekten
Umbau
eines Wohnhauses 1930er Jahren
Bauliche Merkmale
Ziegelmassivbau
Wandtemperierung
Holzdecken
Holzdach
Wohnfläche
199 qm

Auszugsweise Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Kreisbotenverlages.
Text: Florian Aicher
Fotos: Nicolas Felder